Die Fraktion DIE LINKE hat am 7.7.2020 eine Kleine Anfrage in der Bürgerschaft eingebracht: "Bremer Vorzugsvariante für die B6n "Untertunnelung des Flughafens" durch Widerspruch in Gefahr?"

Sie fragt darin nach der Bedeutung des Widerspruches der Obersten Landesstraßenbaubehörde gegen die Festschreibung der Bremer Vorzugsvariante eines Tunnels unter dem Flughafen hindurch im Flächennutzungsplan. Die Bremer Prozessbevollmächtigte hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht aus dem Widerspruch abgeleitet: "Der aktuell geltende Flächennutzungsplan (Dezember 2014) entfaltet keine Bindungswirkung für den Anschluss der nicht linienbestimmten B6n an die A281, BA 2/2." Im Gegensatz dazu hat Bausenatorin Maike Schaefer auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts weiter behauptet, die vom Bund gewollte Flughafenumfahrung durch das Wohn- und Kleingartengebiet Wolfskuhle könne nur dann geplant und gebaut werden, wenn die Bremische Bürgerschaft vorher den Flächennutzungsplan ändert.

Den Wortlaut der Anfrage finden Sie hier.

Mit Datum vom 1.9.2020 liegt die Antwort des Senats vor.

Die Antwort des Senats bestätigt trotz aller sprachlichen Vernebelungsversuche unsere Informationen und Befürchtungen. Der Flächennutzungsplan hat nach dem Widerspruch der Obersten Landesstraßenbaubehörde keinerlei Bindungswirkungen mehr für den Verlauf der B6n. Da der Bund als zukünftig allein verantwortlicher Planungsträger wiederholt deutlich gemacht hat, dass für ihn nur die kostengünstigere Umfahrungsvariante mit einem Knotenpunkt vor Huckelriede unter Inanspruchnahme des Wohn- und Kleingartengebiets Wolfskuhle infrage kommt, ist die Bremer Vorzugsvariante mit einem Tunnel unter dem Flughafen hindurch praktisch gestorben. Die Verweise auf eine notwendige ergebnisoffene Abwägung sind Wortgeklingel.

Hintergrund:

Der 1.Planfeststellungsbeschluss für den Bauabschnitt 2.2 der A281 wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24.11.2010 (BverwG9A13.09) unter anderem für rechtswidrig erklärt, weil die vorgesehene Trasse südlich der Neuenlander Straße im Widerspruch zum damals geltenden Flächennutzungsplan stand, der einen Verlauf auf der Neuenlander Straße vorsah. Bremen war davon ausgegangen, eine Änderung des Flächennutzungsplans sei nicht notwendig, weil mit dem Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage von § 38 Baugesetzbuch (BauGB) "eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit des Verfahrens" geschaffen werde.

Das BVerwG kam jedoch zum Ergebnis, dass sich der Planungsträger trotzdem an das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB hätte halten müssen. Anders wäre es nur gewesen, wenn er vor Verabschiedung des Flächennutzungsplans einen Widerspruch eingelegt hätte, denn damit wäre die rechtliche Verbindlichkeit der FNP aufgehoben und der FNP nur noch ein "Plan eigener Art ohne normative Wirkung" (Urteil Ziffer 37). Und damit wäre die Südvariante auch ohne Änderung des FNP durch die Bremische Bürgerschaft rechtens gewesen. Hier finden Sie die maßgeblichen Auszüge aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

In den Klagen gegen den 2.Planfeststellungsbeschluss für den Bauabschnitt 2.2 spielte das Verhältnis von Bauabschnitt 2.2 und B6n eine zentrale Rolle. Der Planungsträger ging davon aus, er müsse nur belegen, dass alle denkbaren Anschlussmöglichkeiten der B6n an die A281 weiter technisch realisierbar sind. Die Kläger argumentierten, dass bei den Planungen nur die durch den FNP vorgegebene Anschlussstelle des Flughafentunnels auf dem ehemaligen Hornbachgelände berücksichtigt werden dürfe, eine dortige Anbindung der B6n schon im Planfeststellungsbeschluss für den BA 2.2 erleichtert werden sollte und auf keinen Fall - anders als vom Bund gefordert - bauliche Vorleistungen für die Flughafenumfahrungsvariante erbracht werden dürften. Um diese Argumentation zu entkräften brachte die Anwältin Bremens den Widerspruch der Obersten Landesstraßenbaubehörde gegen die B6n-Vorzugsvariante im FNP ins Verfahren ein. Bremen hat also aus der Niederlage 2010 gelernt und die rechtliche Verbindlichkeit des FNP ausgehebelt. Die B6n ist damit ein gegenüber der Ortsplanung privilegiertes Vorhaben und der FNP muss für einen Planfeststellungsbeschluss "Flughafenumfahrung" nicht geändert werden. Und genau deshalb hat die Straßenbaubehörde als Bundesauftragsverwaltung den nach Auffassung des BVerwG rechtswirksamen Widerspruch eingelegt.

Vor diesem Hintergrund einige Anmerkungen zu den einzelnen Antworten des Senats:

zu 1: Wenn der Senat tatsächlich Kenntnis vom Widerspruch der Obersten Landesstraßenbaubehörde hatte, stellt sich die Frage, wie Verkehrssenator Lohse auf der Sitzung der Verkehrsdeputation am 6.12.2018 in der Diskussion über die Abgabe der Planungen für die Bundesstraße 6neu an den Bund behaupten konnte:

"An der kommunalen Planungshoheit, insbesondere bei der Bauleitplanung werde sich nichts ändern. Hierüber könne Bremen auch weiter Einfluss nehmen."

Noch eindeutiger der damalige Staatsrat: "Staatsrat Deutschendorf bekräftigt die hohe Bindungswirkung der Bauleitplanung. Er führt aus, dass die Kommune ihre Planungshoheit voll erfüllen könne."

Beide Herren hätten doch wissen müssen, dass Bremen mit dem Widerspruch der Obersten Landesstraßenbaubehörde bei der B6n schon auf seine Planungshoheit verzichtet hat.

zu 2: Eindeutiger formuliert: Der Planungsträger kann sich über den Bremer Flächennutzungsplan hinwegsetzen. Dass planerisch und angeblich auch bautechnisch weiterhin ein Flughafentunnel und eine Flughafenumfahrung möglich sind, ist bedeutungslos. Die Prioritäten des Bundes sind klar. Im Bundesverkehrswegeplan und im Bedarfsplan steht nur die Flughafenumfahrung. Die Bremer Vorzugsvariante wurde ohne weitere Prüfung mit dem Vermerk "Kein Bedarf" aussortiert.

zu 3: Sollte der Bund eine ebenerdige B6n am Flughafen vorbei für vorzugswürdig halten und bauen, so muss der Bremer Flächennutzungsplan an die geschaffenen Realitäten angepasst werden und nicht etwa die Planung des Bundes an den im FNP vorgesehehen Flughafentunnel. Der Flächennutzungsplan bildet die rechtliche Grundlage für alle weiteren kommunalen Planungen und die notwendigen Bebauungspläne in der Nachbarschaft des Flughafens.

Mit der Übertragung der Planungszuständigkeit für die B6n an die Autobahn GmbH des Bundes ist die Oberste Landesstraßenbaubehörde nicht einmal mehr am Linienbestimmungsverfahren beteiligt, in dem festgelegt wird von wo nach wo die Straße führen soll. Sollte der Bund die B6n als Verbindung zwischen der A1 bei Brinkum und der Autobahnanschlussstelle Kattenturm definieren (was aus seiner Sicht nahe läge), so wäre die Anschlussstelle Hornbach aus dem Rennen und es würden noch Varianten in einem Korridor außerhalb und knapp innerhalb der Flughafengrenzen geprüft werden.

zu 4: Die Bremische Bürgerschaft ist nur noch Erfüllungsgehilfe der Straßenplaner.

zu 5: Dass der Senat verbal weiter hinter der Bremner Vorzugsvariante der B6n steht, ist schön aber hohl. Immerhin ist er so ehrlich nicht zu behaupten, er schließe eine Flughafenumfahrung aus.

Fazit: Die Menschen in Huckelriede und Kattenturm, die Bürgerinitiativen und auch wohlmeinende und gutgläubige Abgeordnete und Deputierte sind hinters Licht geführt worden.

Inzwischen liegt das vollständige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts incl. einer ausführlichen Begründung vor. Unter den Ziffern 44 bis 58 befasst das Gericht sich ausführlich mit den Fragen des Anpassungsgebots des §7 Satz 1 Baugesetzbuch und der Bedeutung des Flächennutzungsplans und des dagegen eingelegten Widerspruchs für die weiteren Planungen der B6n. Das Fazit ist leider eindeutig: Dass im Flächennutzungsplan für die B6n seit 1983 ein Tunnel unter dem Flughafen eingezeichnet ist, spielt rechtlich keine Rolle mehr. Die Auszüge aus dem Urteil finden Sie hier.

Wenn Senatorin Schaefer weiter das Gegenteil behauptet, so ist sie entweder falsch informiert oder sie sagt wissentlich die Unwahrheit.